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2024



Oryx-Didge / Meilenstein zu einem außerordentlichen Instrument

/ CADSound Design: Frank Geipel, 3D-Print + Realisation: Kay Reimer 20.05.2024

Die beiden identischen Oryx-Instrumente sind eine schöne Teamarbeit. Wie es zu dem besonderen Klang kam, beschreibe ich am Anfang - weiter unten dann Kays 3D-Druck im Horn-Design. Die Soundbeispiele stammen auch von Ansgar und Andrea.

Der Klang

Vor einiger Zeit spielte ich wieder einmal mein altes großvolumiges E-Mago aus dem Western-Arnhem-Land, das mit beeindruckenden Motiven von Ross Yalidgiri im Rarrk-Muster-Stil künstlerisch verziert ist. Auf ihm befinden sich Bemalungen u.a. von File-Snake, Goanna, Baru (mein Totem) und Mimih-Spirit zum Teil im Röntgenstil. Da ich sehr entspannt war, war es eher ein Genussspielen, vielleicht auch durch die Motive inspiriert. Dieses Instrument zeichnet sich neben einem warmen Bassfundament durch verschiedene fein wahrnehmbare "flirrende" Obertöne aus.

 

Die akustische Analyse mittels FFT zeigt, dass das gute Bassfundament  neben dem relativ großen Volumen auch durch die 3. Eigenresonanzfrequenz der Luftsäule, die etwa mit der 4. Harmonischen (3. Oberton) des Grundtones zusammenfällt, verursacht wird. Die „flirrenden“ Obertöne entstehen je nach Spielweise durch die Anregung zweier versetzter Oberton-Wobbel-Muster.


Das erste durch die symmetrisch versetzten 4. und 5. Eigenresonanzfrequenzen der Luftsäule unter der 6. und 7. Harmonischen (5. und 6. Oberton) des Grundtones.


Das zweite durch die symmetrisch versetzten 6. und 7. Eigenresonanzfrequenzen der Luftsäule unter der 9. und 10. Harmonischen (8. und 9. Oberton) des Grundtones.

 

Um diese Klangeigenschaften noch besser in Szene setzen zu können, entschied ich mich ein derartiges Instrument mit Grundton D zu designen und die dafür erforderlichen akustischen Parameter auf den Punkt zu optimieren.


Hier der beste Entwurf dieses Instrumentes, gefunden auf Basis der Directed Evolution Suchstrategie:

Nachdem ich mit dem theoretischen Design relativ zufrieden war, stellte sich wieder die Frage:

Nach welcher Baumethode dieses Instrument fertigen?

 

Ich selber bin ein Fan der Sandwichmethode auf Basis von Hartholz. Mit dieser Methode habe ich die Möglichkeit des feinen Nachtunings vor allem bei den beiden symmetrischen Oberton-Wobbel-Mustern, die sehr sensibel auf Abweichungen reagieren. Allerdings ist diese Methode auch zeitaufwändig, weil man sehr genau arbeiten muss und ich hatte keinen geeigneten Hartholzstamm zur Verfügung.

 

Natürlich dachte ich auch an die 3D-Druckmethode und die technischen und künstlerischen Möglichkeiten von Kay. Er hatte ja schon spezielle Didgeridoo-Innenformen in ebenfalls sehr spezielle Außenformen transferiert. Beeindruckende Beispiele sind das Narwal-Zahn-Didge von 2015 und das Springbock-Horn-Didge von 2021 (siehe Bild: "Bisherige 3D-Drucke" weiter unten - nähere Beschreibungen unter News 2015 + 2021).


Oryx

Wie es der unbestimmte Lauf des Lebens so brachte, war ich im Frühjahr 2021 mitten in der verrücktesten Corona-Zeit drei Wochen in Namibia unterwegs. Eine wirklich geniale Zeit, da in diesem faszinierenden relativ gering bevölkerten Land noch viel weniger Menschen unterwegs waren als zu normalen Zeiten.

Zudem erinnern auch die weiten Landschaften in diesem Teil Afrikas an das Australische Outback, da es viele Ähnlichkeiten mit diesem hat.

Eines der faszinierenden Tiere in diesem Gebiet waren für mich die Oryx-Antilopen, die die wahren Überlebenskünstler in diesen kargen Wüstenlandschaften sind.


Und diese haben, so finde ich, auch eine interessante Horn-Form für die äußere Gestaltung eines besonderen Didgeridoos.

 

Horn-Design und 3D-Druck
Aus Gesprächen mit Kay wusste ich, dass er sich bereits ein derartiges Horn als Vorlage für einen 3D-Scan beschafft hatte. Also fragte ich ihn, ob er Interesse an einem nächsten 3D-Didge-Druck-Projekt hätte, für dessen Innenform ich auch schon ein interessantes Sound-Design vorbereitet hatte. Jedenfalls rannte ich mit diesem Vorschlag quasi in eine offene Türe, da Kay unabhängig von mir an ein nächstes derartiges Projekt gedacht hatte.

Hier sein 3D-Scan des verfügbaren Oryx-Horns:

Im nächsten Schritt war es erforderlich, diese äußere Form so zu vergrößern und selektiv aufzuweiten, dass die klangbestimmende Innenform optimal hineinpasst.

Hier die fertig 3D-modellierte Oryx-Didge-Form:

Und die in 3D-Drucksegmente aufgegliederte Instrumentenform:

Nach einigen Tagen Druckzeit sieht man hier die zur Weiterverarbeitung vorliegenden Segmente:


Da Kay ebenso wie ich an diesem besonderen Instrument interessiert war, entschied er sich dieses gleich zweimal auszudrucken, um weitestgehende Zwillingsinstrumente zu fertigen. Ähnlich wie die beiden Hörner auf dem Kopf einer Oryx-Antilope. Dies ist dann auch ein schönes Symbol für unsere Verbundenheit als Seelenverwandte.


Nach dem professionellen Verkleben der Segmente kam Kay’s meisterhaftes Talent zur Gestaltung realistischer Oberflächen zum Tragen.


Bisherige 3D-Drucke (v. l. n. r.):

Oryx-Zwillinge 2023, Narwal-Zahn-Didge 2015, Springbock-Horn-Didge 2021


Als ich diese Bilder sah, fiel es mir das Warten noch schwerer, eines dieser Instrumente endlich live zu sehen, in meinen Händen zu halten und zu spielen. Im Sommer 2023 war es dann soweit, dass Kay mich in Süddeutschland besuchte. Es war die Woche nach dem Didgeridakel 2023 an dem ich gemeinsam mit Ansgar teilnahm. So ergab sich die seltene Gelegenheit, dass wir „3 Didge-Pioniere“ ein paar schöne Tage gemeinsam verbringen und uns ausgiebig über zukünftige Projekte austauschen konnten. Es war immerhin ca. 20 Jahre her, als wir drei uns das erste Mal bei Kay in Hamburg trafen und schon damals über interessante Didgeprojekte philosophierten.

 

Natürlich haben wir das Oryx-Didge ausführlich getestet.
Hier ein Testspiel von Ansgar:

Mit etwas Hörerfahrung kann man je nach Position im Raum und Abstand vom Instrument die beiden Harmonic Wobble Pattern selektiv wahrnehmen. Diese bilden einen guten Kontrast zum Bassfundament dieses Instrumentes. Um diese Obertonwobble-Muster deutlicher in einer Aufnahme zu konservieren, habe ich Positionen für das Bellend des Instrumentes und des Aufnahmemikrophones (das ich über Kopfhörer hören konnte) im Raum gesucht.


Dabei ist mir beim Spiel in einem Harmonic-Wobble-Spot die folgende Aufnahme gelungen

(mit anschließender Extraktion eines Harmonic-Wobble-Loops):

Besonders an diesem Beispiel wird deutlich, dass von den beiden angeregten Harmonic-Wobble-Mustern nur drei Obertöne deutlich wechselseitig wahrnehmbar sind. Hier klingen die beiden spektral linksseitigen Harmonischen 6 und 9 gleichzeitig im Wechsel mit der lauteren rechtsseitigem Harmonischen 7 an und erzeugen einen magischen nicht ortbaren Klangeffekt im Raum.

Wer beim Didgespielen oder bei einem Didgekonzert als Spieler oder Zuhörer derartige harmonische Obertoneffekte wahrnehmen möchte (falls vorhanden), sollte während des Zuhörens seine Position im Raum und seinen Abstand zum Bellend des Instrumentes verändern. Das ist auch der Grund, warum gute akustische Didgespieler die Position des Bellends ihres Instrumentes oder ihre Position im Raum verändern.

Hier ein Vergleich der projektierten Spektren mit der FFT-Analyse des Instrumentes:

Fazit:
Das Ergebnis dieses Projektes hat optisch meine Erwartungen an die Außenform und akustisch dem relativ genauen Zutreffen der gewünschten Klang- und Spiel-Eigenschaften übertroffen. Vor allem, dass dieses Resultat ohne die oft nachträglich erforderlichen Feinkorrekturen möglich war.


 

Nachtrag:

Soundbeispiel von Andrea Ferroni:



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Oryx-Didge / Milestone to an extraordinary instrument

/ CADSound Design: Frank Geipel, 3D-Print + Realisation: Kay Reimer 20.05.2024

The two identical Oryx instruments are a beautiful team effort. I describe how the special sound came about at the beginning - Kay's 3D print in horn design is described below. The sound examples also come from Ansgar and Andrea.

The Sound

Some time ago, I once again played my old large-volume E-Mago from Western Arnhem Land, which is artistically decorated with impressive motifs by Ross Yalidgiri in the Rarrk pattern style. It features paintings of File-Snake, Goanna, Baru (my totem) and Mimih-Spirit, among others, partly in X-ray style. As I was very relaxed, it was more of a pleasure to play, perhaps also inspired by the motifs. In addition to a warm bass foundation, this instrument is characterized by various finely perceptible "shimmering" harmonics.

The acoustic analysis using FFT shows that the good bass foundation is caused not only by the relatively large volume but also by the 3rd intrinsic resonance frequency of the air column, which roughly coincides with the 4th harmonic (3rd overtone) of the fundamental. The "shimmering" harmonics are created by the excitation of two offset harmonic wobble patterns, depending on the playing style.


The first is caused by the symmetrically offset 4th and 5th intrinsic resonance frequencies of the air column below the 6th and 7th harmonics (5th and 6th overtones) of the fundamental.


The second by the symmetrically offset 6th and 7th intrinsic resonance frequencies of the air column below the 9th and 10th harmonics (8th and 9th overtones) of the fundamental.

 

In order to better showcase these sound characteristics, I decided to design such an instrument with fundamental D and to optimize the necessary acoustic parameters to the point.


Here is the best draft of this instrument, found on the basis of the Directed Evolution search strategy:

After I was relatively satisfied with the theoretical design, the question arose again: Which building method should I use to make this instrument?

 

I myself am a fan of the sandwich method based on hardwood. With this method I have the possibility of fine tuning, especially with the two symmetrical harmonic wobble patterns, which react very sensitively to deviations. However, this method is also time-consuming because you have to work very precisely and I didn't have a suitable hardwood trunk available.


Of course, I also thought about the 3D printing method and Kay's technical and artistic possibilities. He had already transferred special didgeridoo inner shapes into equally special outer shapes. Impressive examples are the narwhal tooth didgeridoo from 2015 and the springbuck horn didgeridoo from 2021 (see picture below and news 2015 + 2021).


Oryx

As life would have it, I spent three weeks in Namibia in spring 2021 in the middle of the craziest coronavirus period. A truly brilliant time, as there were far fewer people on the road in this fascinating, relatively sparsely populated country than in normal times.

The vast landscapes in this part of Africa are also reminiscent of the Australian outback, as it has many similarities with it.

One of the fascinating animals in this area for me were the oryx antelopes, which are the true survivors in these barren desert landscapes.


And I think they also have an interesting horn shape for the outer design of a special didgeridoo.

 

Horn-Design and 3D-Print
From conversations with Kay, I knew that he had already procured such a horn as a template for a 3D scan. So I asked him if he would be interested in a next 3D didgeridoo printing project, for the inner shape of which I had already prepared an interesting sound design. Anyway, I kind of ran into an open door with this suggestion, as Kay had been thinking of a next such project independently of me.

 

Here is his 3D scan of the available Oryx horn:

The next step was to enlarge and selectively widen this outer shape so that the sound-defining inner shape would fit in perfectly.

Here is the finished 3D-modeled Oryx Didge shape:

And the instrument shape broken down into 3D printed segments:

After a few days of printing, you can see the segments ready for further processing:


As Kay was just as interested in this particular instrument as I was, he decided to print it twice in order to produce twin instruments as far as possible. Similar to the two horns on the head of an oryx antelope. This is also a beautiful symbol of our bond as soul mates. After the segments were professionally glued together, Kay's masterful talent for creating realistic surfaces came into play.


Previous 3D prints (from left to right):
Oryx-twins 2023, narwhal tooth-didge 2015, springbuck horn-didge 2021


When I saw these pictures, I found it even harder to wait to finally see one of these instruments live, hold it in my hands and play it. In the summer of 2023, Kay came to visit me in southern Germany. It was the week after the Didgeridakel 2023, which I attended together with Ansgar. It was a rare opportunity for us "3 didge-pioneers" to spend a few nice days together and discuss future projects at length. After all, it was about 20 years ago when the three of us first met at Kay's in Hamburg and were already philosophizing about interesting didge projects back then.

 

Of course, we tested the Oryx didge extensively.
Here is a test play from Ansgar:

With a little listening experience, you can selectively perceive the two harmonic wobble patterns depending on your position in the room and distance from the instrument. These form a good contrast to the bass foundation of this instrument.
In order to preserve these harmonic wobble patterns more clearly in a recording, I looked for positions in the room for the bell end of the instrument and the recording microphone (which I could hear through headphones).


While playing in a harmonic wobble spot, I succeeded in making the following recording
(Sound example: "Harmonic Wobble Spot" will be integrated):

 

What is special about this example is that three harmonics of the two excited harmonic wobble patterns can be clearly heard alternately. Here, the two spectrally left-sided harmonics 6 and 9 sound simultaneously in alternation with the louder right-sided harmonic 7 and create a magical, not localized sound effect in the room.
If you want to perceive such harmonic overtone effects (if present) when playing the didge or at a didge concert as a player or listener, you should change your position in the room and your distance from the bell end of the instrument while listening. This is also the reason why good acoustic didge players change the position of the bell end of their instrument or their own position in the room.

 

Here is a comparison of the designed spectra with the FFT analysis of the instrument:

Conclusion:
The result of this project visually exceeded my expectations in terms of the external shape and acoustically the relatively accurate matching of the desired sound and playing characteristics. Above all, this result was possible without the fine corrections that are often required afterwards.


 

Addendum:
Sound example by Andrea Ferroni: